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BGH zur Beschwer eines Beklagten, der zur Löschung zweier mehr als drei Jahre alter E-Mails von seiner Internetseite verurteilt worden ist

4.02.2015 | Allgemeines | von Stephan Breckheimer, LL.M.

Meinungsäußerungen, die über 3 Jahre alt und ohne wirtschaftliches Interesse des Äußernden sind, können eine niedrigere Beschwer haben, als der von der Äußerung Betroffene und gewerblich Handelnde.

 

Der BGH hat mit Beschluss vom 13.01.2015, Az.: VI ZB 29/14 die Entscheidung des OLG Koblenz vom 02.04.2014, Az.: 5 U 217/15 bestätigt, wonach die Beschwer bzgl. der Verpflichtung, die Veröffentlichung zweier E-Mails eines gewerblichen Mietwagenunternehmers von der eigenen Internetseite zu entfernen, ungemein niedriger ist als die Beschwer des Betroffenen. Die E-Mails waren mehr als drei Jahre alt.

 


Was war passiert:

 

Das Landgericht Mainz hatte den Beklagten zur Unterlassung bzgl. der Veröffentlichung zweier, drei Jahre alter E-Mails verurteilt, die der von unserer Kanzlei vertretene Mietwagenunternehmer an den Beklagten geschickt hatte (wir berichteten: siehe hier). Der Beklagte legte dagegen Berufung ein, welche vom OLG Koblenz mit der Begründung als unzulässig verworfen wurde, dass die Beschwer des Beklagten lediglich bei 500,00 EUR liege und damit nicht den für die Berufungsinstanz erforderlichen Beschwerdewert von mindestens 600,00 erreiche (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Der BGH bestätigt mit seinem Beschluss das OLG Koblenz.

 


Stellungnahme:

 

Die Entscheidung des BGH ist richtig und schränkt die Meinungsfreiheit gem. Art. 5 GG gerade nicht in bedenklicher Weise ein. So ist insbesondere auch auf den weit zurückliegenden Zeitpunkt des gegenständlichen Vorfalls (E-Mail und Veröffentlichung der E-Mail) abzustellen. Ein primäres Abstellen auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise war daher durchaus geboten. Denn das andauernde Veröffentlichen der E-Mails schränkte den Kläger in seiner Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit weiterhin so zu seinem Nachteil ein, als wäre der Vorfall aktuell gewesen. Der Kläger musste sich weiterhin Konfrontationen von Kunden stellen, die auf diesen Vorfall hinwiesen. Seine Umsätze gingen stetig zurück.

 

Der BGH stellt auf die wirtschaftlichen Interessen ab. So führt er aus:

 

(...) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Interesse des zur Unterlassung verurteilten Beklagten an der Beseitigung seiner Verurteilung zwar nicht zwangsläufig, aber regelmäßig dem Interesse des Klägers an dieser Verurteilung entspreche, denn das Interesse des Klägers an einer solchen Unterlassung sei pauschalisierend und unter Berücksichtigung von Bedeutung, Größe und Umsatz des Verletzers, Art, Umfang und Richtung der Verletzungshandlung sowie von subjektiven Umständen auf Seiten des Verletzers wie etwa dem Verschuldensgrad zu bewerten (...) Diese Grundsätze können aber im Streitfall nicht herangezogen werden. Es muss hier nicht entschieden werden, ob sie grundsätzlich nur in wettbewerbsrechtlichen Verfahren Anwendung finden können, denn es ist ersichtlich, dass ihre Voraussetzungen im Streitfall nicht gegeben sind. Entgegen der Rechtsbeschwerde ist nicht festgestellt, dass der Beklagte gewerblich tätig ist und aus dem Betrieb seiner Internetseite Umsätze erzielt, auch nicht, dass er in einem Wettbewerb zum Kläger steht. Eine nach der Rechtsprechung des I. Zivilsenats für diese Fälle für die Beschwer maßgebende Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit des Beklagten (...) ist mangels wirtschaftlicher oder gewinnorientierter Tätigkeit des Beklagten ebenfalls nicht festgestellt.(...)

 


Letztlich führt der BGH aus:


(...) Auch ist die Bewertung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, dass einem mehr als drei Jahre alten Beleg für den einmaligen Vorfall einer unfreundlichen Kundenbehandlung für die Meinungsfreiheit potentieller Kunden dieses Wohnmobilvermieters schon aufgrund des Alters und der fehlenden Aktualität nur sehr geringes Gewicht beizumessen ist.

 

 

 

Hintergrund:


Der Kläger wurde von uns in dem Verfahren vertreten, nachdem dieser um Rechtsrat gebeten hatte, da dieser Vorfall ihn ständig verfolgte. Der Kläger musste sich stets Nachfragen potentieller Kunden in Bezug auf die veröffentlichten E-Mails anhören, obwohl die Sache weit zurücklag. Die Umsätze des Klägers gingen zurück, was er auf die Veröffentlichungen seiner E-Mails zurückführte. Diese waren in Google sehr weit oben gelistet, wenn nach dem Kläger oder nach seinem Gewerbe gesucht wurde.


Der Volltext der Entscheidung des BGH ist hier abrufbar.



Nachtrag vom 11.02.2015:

Der Beschluss des BGH ist mittlerweile auch bei den Kollegen von MIR (Medien, Internet und Recht) hier abrufbar.

 


Download:
 Beschluss BGH VI ZB 29 14. 130115.pdf

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